Dirk Hübsch, Patentanwalt: Abmahnungen, Arbeitnehmererfindungsrecht, Patente und Gebrauchsmuster, Marken und Markenrecht, Designs und Designrecht - Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Hübsch, Kirschner & Partner

Patentanwalt Dirk Hübsch

Zwangslizenzen für Impfstoffe, ja oder nein? – Ein komplexes Thema:

Nicht „Alles und Jedes“ ist dem Patentschutz zugänglich. Beispielsweise werden gemäß § 2a PatG Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers sowie Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, nicht patentiert bzw. sind explizit vom Patentschutz ausgenommen. Dies dient dem Zweck, dass selbstverständlich jeder Arzt einen Patienten in vollem Umfang behandeln können muss / darf, ohne dass ein Patentschutz dem entgegenstehen würde.

Helfen Patentfreigaben in der Corona-Pandemie weiter?

Zu dieser Frage wurde Patentanwalt Dirk Hübsch am 07 Mai 2021 von ntv interviewt. Das Interview können Sie in diesem Beitrag noch einmal in voller Länge sehen. Ergänzend hierzu verdient diese komplexe und zum Teil auch emotionsbetonte Debatte einiger ergänzender Ausführungen. So sollen durch diesen Beitrag einige Aspekte ergänzend zum Interview dargestellt werden. Ohne jeden Zweifel könnte noch deutlich mehr gesagt und geschrieben werden. Von daher kann und soll auch dieser Beitrag lediglich verdeutlichen, dass die derzeit geführte Diskussion nicht auf wenige Aspekte heruntergebrochen werden kann. Dies würde viel zu kurz greifen und diesem gesellschaftspolitischen Thema nicht gerecht werden.

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Zweck des Patentschutzes:

Der Patentschutz als solcher dient der Absicherung von Investitionen. Unternehmen bzw. Anmelder und Erfinder, insbesondere bei komplexen technischen Produkten / Verfahren müssen eine Erfindung auch entsprechend technisch entwickeln. Je nach Produkt und/oder Verfahren sind derartige Entwicklungen mit hohen Kosten und hohen Investitionen verbunden.

Gäbe es keinen Patentschutz auf derartige entwickelte Produkte und/oder Verfahren stellt sich die Frage:

„Würden derartige Investitionen von Unternehmen in diesem Umfang dann überhaupt getätigt werden?“

Vor allem mit dem Wissen, dass diese entwickelten, dann nicht patentierten Produkte und/oder Verfahren dann durch Dritte problemlos kopiert werden könnten und die Wettbewerber dann diese Produkte preiswerter anbieten können und dann dadurch der tatsächliche Erfinder / Entwickler bzw. das Unternehmen, das investiert hat, dann einfach “ausgehebelt“ wird.

Eine Ansicht – Patentfreigabe:

Eine extreme Ansicht in unserer Gesellschaft lautet ungefähr so:

„Was interessiert uns der Patentschutz? Gebt doch einfach alles „frei“. Dann kann jeder ein Produkt und/oder ein Verfahren herstellen und/oder benutzen, wie er das möchte.“

Aber ist das wirklich die Lösung? Oder führt das in der Praxis vielleicht dazu, dass wenn es ein neues Produkt / eine neue Entwicklung ohne einen Patentschutz gibt, dieses neue Produkt einfach von Dritten nur kopiert wird. Vor allem ohne dass in Zukunft wiederum etwas weiterentwickelt wird? Wo ist dann der Anreiz für eine neue Entwicklung/Innovationen und für weitere Investitionen?

Andere Ansicht – Patente als Innovationstreiber

Aus Obigem ergibt sich dann auch eine andere Erklärung / Ansicht: Nämlich dass der Patentschutz Innovation fördert. Denn wenn ein Patentschutz vorhanden ist, gibt es u.a. Anmelder / Erfinder und/oder Unternehmen, die ein bestehendes Patent auch gerne „umgehen“ möchten, Sie werden dann hierfür nach anderen Möglichkeiten / anderen neuen technischen Entwicklungen suchen. In diesem Sinne wirkt der Patentschutz dann als ein „Ansporn“ für weitere neue Entwicklungen, nicht als Hemmschuh, er dient aber auch als Schutz für Investionen.

Patente im medizinischen Bereich:

Problematisch und sehr heikel ist dieses Thema für den Bereich der Medizin, also beispielsweise beim Patentschutz auf „Corona-Impfstoffe“. Dieser fällt zunächst nämlich nicht unter die ganz oben erläuterten Ausnahmen vom Patentschutz.

Auf der einen Seite haben Unternehmen Millionen in diese Entwicklungen investiert. Auf der anderen Seite steht der Schutz des menschlichen Lebens und seiner Gesundheit ganz klar – ohne Wenn und Aber – im Vordergrund. Aber auch eine Frage ist es:

„Hätte es ohne einen Patentschutz die schnell entwickelten Impfstoffe überhaupt so ohne einen Patentschutz gegeben? Hätte jemand hunderte von Millionen einfach nur so mal investiert, ohne die Möglichkeit, dass er einen Rückfluss generieren kann?“

Gesetzliche Regelungen in Extremsituationen:

Der Gesetzgeber hat für Extremfälle wie beispielsweise die „Corona-Pandemie“ bereits geltende gesetzliche Regelungen erlassen. Anders ausgedrückt:

  • Ausnahmen des Patentschutzes,
  • ein Aufweichen des Patentschutzes bzw. auch
  • die Aussetzung und/oder Zwangslizenzen

sind bereits möglich.

Aussetzung von Patenten – § 13 PatG:

So kann die Bundesregierung gemäß § 13 PatG die Wirkung eines Patentes durch eine entsprechende Anordnung aussetzen, nämlich dann, wenn die Erfindung im Interesse der „öffentlichen Wohlfahrt“ benutzt werden soll. Einfach ausgedrückt: Die Bundesregierung kann / könnte das entsprechende Patent aussetzen und auch einen Dritten ermächtigen, das entsprechende Produkt, hier dann den Corona-Impfstoff, herzustellen. Dabei steht dem Patentinhaber eine angemessene Vergütung gegenüber dem Bund zu. Die Initiative zur Aussetzung des Patentschutzes geht bei § 13 PatG aber von der Bundesregierung selbst aus.

Zwangslizenzen – § 24 PatG:

Eine weitere Möglichkeit ist die Einräumung einer Zwangslizenz an einen bereits bestehenden Patent. Dies wird in § 24 PatG geregelt: Hier geht die Initiative nicht von der Bundesregierung aus, sondern von einem Lizenzsucher, also beispielsweise von einem Unternehmen selbst, das beispielsweise den Corona-Impfstoff herstellen kann, aber hierzu die Zustimmung des Patentinhabers benötigen würde.

Damit dies gelingen kann müsste hierzu zunächst ein öffentliches Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz gegeben sein. Dieser Umstand dürfte bezüglich der Corona-Pandemie für einen Lizenzsucher klar belegbar sein.

Weiterhin müsste der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht haben, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten. Der Lizenzsucher muss hierbei dem Patentinhaber anbieten, die Erfindung zu angemessenen und geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen. Erteilt der Patentinhaber dann seine Zustimmung nicht, so kann der Lizenzsucher Klage gemäß § 81 PatG beim Bundespatentgericht (BPatG) einreichen und das BPatG dann im Endeffekt – wenn alle Voraussetzungen gegeben sind – eine Zwangslizenz an den Lizenzsucher erteilen. Hierbei bestimmt das BPatG insbesondere auch dann Einzelheiten über die Dauer und/oder den Umfang der erteilten Zwangslizenz.

Letzteres gilt im Übrigen nicht nur für Corona-Impfstoffe. Beispielsweise wird in § 85a PatG geregelt, dass auch Zwangslizenzen für Patente an der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen für die Ausfuhr in die Drittländer gewährt werden können, die Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit haben. Anders ausgedrückt: Auch für Verfahren / Produkte, die nicht im Inland, sondern im Ausland dringend benötigt werden, können unter Einräumung einer Zwangslizenz diese Produkte im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt und in das entsprechende Land ausgeführt werden.

Ausblick – Gesellschaftspolitische Frage:

Damit all das in der Praxis auch funktioniert, muss es Unternehmen geben, die in der Lage und Willens sind, sich als Lizenzsucher um eine Zwangslizenz zu bemühen und die entsprechenden Schritte durchzuführen.

Hier sollte / könnte man den unterschiedlichen Unternehmen nicht nur auf den Gebiet zur Lösung der aktuellen Corona-Pandemie, sondern auch für andere Medizinprodukte durchaus die Frage stellen, ob sie hierzu bereit sind / wären?

Obiges verdeutlicht, dass durch die aktuelle Corona-Pandemie gesellschaftspolitische Fragen aufgeworfen werden, die wir vor allem als Gesellschaft zu beantworten und zu regeln haben, nicht nur für die aktuelle Corona-Pandemie, sondern auch für die weitere Zukunft.