BGH: Endlich Klarheit für Influencer und die Werbekennzeichnung?
In drei Urteilen hat der BGH sich mit der Frage beschäftigt, wann Influencer ihre Beiträge als Werbung kennzeichnen müssen und wann nicht. Aber haben diese drei BGH-Entscheidungen nun für Klarheit gesorgt? Diese Frage wollen wir in diesem Beitrag beantworten.
Influencer hatten es bislang nicht leicht. Müssen Influencer ihre Social-Media-Profile als Werbung kennzeichnen? Oder müssen nur einzelne Beiträge als Werbung gekennzeichnet werden? Wenn ja, welche?
Immer wieder sind und waren Influencer Opfer von Abmahnverbänden. Der Vorwurf: Schleichwerbung. Schleichwerbung ist unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts. Eine solche Werbung stellt nämlich einen Irreführungstatbestand im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG dar. Die Abmahner stehen auf dem Standpunkt, dass Influencer auf ihren Social-Media-Profilen Beiträge hätten als Werbung kennzeichnen müssen. Die Influencer wurden von den Abmahnverbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Bislang brachten die bisherigen Gerichtsentscheidungen zu dieser Thematik wenig Klarheit. Vor allen Dingen war die bisherige Rechtsprechung keineswegs einheitlich. Rechtssicherheit gab es für die Influencer keine. Im Gegenteil, wie ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe – wir berichteten – zeigt. Dort ist unter anderem zu lesen:
„Wie der Handelnde den kommerziellen Zweck seiner geschäftlichen Handlung kenntlich macht, wenn dieser nicht offenkundig ist, bleibt ihm überlassen. (…) Wege aus dem Verbot zu finden, ist Aufgabe des Verletzers.“
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in drei Entscheidungen einige Klarstellungen auf den Weg gebracht. Geklärt ist damit längst nicht jede Frage. Was der BGH im Einzelnen aber entschieden hat, zeigen wir in diesem Beitrag.
Grundlegendes zum Wettbewerbsrecht und der Schleichwerbung
Das Wettbewerbsrecht, um das es im Rahmen des Influencer-Marketings im Schwerpunkt meistens geht, schützt Mitbewerber, Verbraucher und Verbraucherinnen und sonstige Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Daneben schützt es außerdem auch die Allgemeinheit vor einem unverfälschten Wettbewerb.
Insbesondere enthält das Wettbewerbsrecht Irreführungstatbestände. Hierunter fällt auch die getarnte Werbung, salopp gesagt eben die Schleichwerbung.
Was ist Werbung?
Werbung ist jede Äußerung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern.
Werbung dient also der Absatzförderung.
Was ist Schleichwerbung?
Auch Schleichwerbung ist zunächst einmal schlicht eine Werbeaussage. Sie ist aber nicht sofort als Werbeaussage zu erkennen. Es ist eine getarnte Werbeaussage. Die von der Aussage angesprochen Verkehrskreise erkennen den werbenden Charakter nicht, weil der Werbende Umstände verschweigt oder vorspiegelt. Durch diese Irreführung wird die Aussage nicht als Werbung, sondern als freie unabhängige, redaktionelle, publizistische, wissenschaftliche oder persönlich-private Aussage aufgefasst. Der Werbende macht es sich dabei zunutze, dass einem solchen, im „Gewand der Neutralität“ eingekleideten, Beitrag mehr glauben geschenkt wird als der eigenen Werbung.
Änderungen im Wettbewerbsrecht (Schleichwerbung) ab 28.05.2022
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) trat bereits am 01. Juli 1896 in Kraft. Seit 2004 bis heute wurde das UWG mehrere Male umfangreich überarbeitet. Insbesondere europarechtliche Richtlinien wurden durch diese Anpassungen umgesetzt. Bereits heute ist klar, dass sich auch die heutige Regelung zur Schleichwerbung in § 5a Abs. 6 UWG zum 28.05.2022 erneut ändert. Eine Gegenüberstellung der heutigen Regelung zur zukünftigen Regelung macht die Anpassungen deutlich. Die ab dem 28.05.2022 geltende Regelung lässt erkennen, dass insbesondere auch die Thematik des Influencer-Marketings mit erfasst werden soll. Und auch die Entscheidungen des BGH erwecken den Anschein, dass diese zukünftigen Regelungen bereits berücksichtigt worden sind.
§ 5a Abs. 6 UWG bis 28.05.2022 |
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Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. |
§ 5a Abs. 4 UWG ab 28.05.2022 |
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1 Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. 2 Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. 3 Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat. |
Die neue Regelung stellt zum einen klar, dass es nicht mehr allein um Verbraucherschutz geht. Auch die sonstigen Marktteilnehmer werden zukünftig ausdrücklich vor Schleichwerbung geschützt. Und die sonstigen Marktteilnehmer im Sinne des Wettbewerbsrechts sind neben Verbrauchern und Wettbewerbern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind.
Entscheidend für die Frage, ob irreführend und damit unlauter geworben wird, wird zukünftig sein, ob
- für das eigene oder ein fremdes Unternehmen geworben wird und ob
- bei der Werbung für ein fremdes Unternehmen der Werbende eine Gegenleistung erhält oder sich versprechen lässt.
Wird für ein fremdes Unternehmen geworben und Erhält der Werbende hierfür kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung liegt keine kommerzielle Kommunikation vor. So jedenfalls verhielt es sich in einem der drei vom BGH entschiedenen Fälle. Das Verhalten der Influencerin habe keinen Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG dargestellt, weil es den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV entsprochen habe.
Andererseits aber stellt der neue der zukünftige § 5a Abs. 6 Satz 3 UWG eine gesetzliche Vermutung auf. Danach wird zunächst vermutet, dass der Handelnde eine Gegenleistung erhält, wenn er für ein fremdes Unternehmen wirbt. Der Handelnde kann diese Vermutung aber widerlegen. Hierfür muss er glaubhaft machen, dass er keine Gegenleistung erhalten hat. Das kann beispielsweise durch Vorlage eines Kaufbelegs erfolgen.
Pflicht zur Werbekennzeichnung für Influencer ja oder nein? Die Entscheidungen des BGH
Eines vorweg: Die Entscheidungen des BGH sind derzeit noch nicht im Volltext veröffentlicht. Sie sind aber in einer Pressemitteilung zusammengefasst. Die Entscheidungen weisen einige Gemeinsamkeiten auf.
Auf Seiten des Klägers handelte es sich stets um einen Verband. Beklagte waren jeweils Influencer. Die Verbände vertraten insbesondere den Standpunkt, dass einzelne Beiträge auf den Social-Media-Profilen der Influencer Werbung darstellten. Diese Beiträge waren aber nicht als Werbung gekennzeichnet. Nach Auffassung der Verbände handelte es sich bei diesen um nicht als Werbung gekennzeichneten Beiträge also um Schleichwerbung im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG.
Außerdem stützten die Verbände ihre auf Unterlassung gerichteten Ansprüche auch auf der Annahme, es stelle zumindest dann einen ebenfalls gegen das Wettbewerbsrecht verstoßenden Rechtsbruch dar, wenn werbende Beiträge nicht klar als Werbung gekennzeichnet werden und die Werbung auch im Übrigen nicht klar als solche zu erkennen ist. Derlei werbende Beiträge verstoßen nach Ansicht der Verbände gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV. Diese Normen sollen aber an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber genannt werden und dafür sensibilisieren, dass Abmahnverbände sich auch zukünftig auf diese Regelungen ergänzend stützen könnten.
Klarstellungen durch den BGH im Influencer-Marketing
In der Tat hat der BGH durch die drei Entscheidungen zumindest für etwas Klarheit gesorgt. Positiv für Influencer zu bewerten ist insbesondere der Umstand, dass die Influencer in zwei der drei Fälle als Sieger vom Platz gingen. Worin aber unterscheiden sich die drei Fälle? Und was können Influencer für Ihr Marketing aus den drei BGH-Entscheidungen an Erkenntnissen für sich mitnehmen? Hierzu das Folgende:
Beiträge von Influenern auf Ihren Profilen sind „geschäftliche Handlungen“
In allen drei Entscheidungen befand der BGH, dass Beiträge von Influencern auf Ihren Social Media Profilen als geschäftliche Handlungen im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu qualifizieren sind. Was aber ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG?
Eine geschäftliche Handlungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist
jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
Es geht also um Absatzförderung zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens.
Der BGH entschied:
- Influencer betreiben ein Unternehmen, wenn sie
- über ein soziales Medium (z.B. Instagram)
- Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten.
- Eigene Beiträge sind geeignet, Bekanntheit und Werbewert des eigenen Unternehmens zu steigern.
Wie verhalte ich mich als Influencer im Marketing richtig?
Die BGH-Entscheidungen liefern für Influencer einige Anhaltspunkte für einen rechtskonformen Umgang mit Beiträgen auf ihren Social-Media-Profilen. Andererseits ist zu erwarten, dass auch zukünftig stets der konkrete Einzelfall und die Begleitumstände einer genaueren Betrachtung bedürfen. Eine Schablone für rechtskonformes Influencer-Marketing gibt es also nach wie vor nicht.
Folgende Punkte aber sollten unserer Auffassung nach Influencer beachten, um das Risiko von Abmahnungen zu minimieren:
- Bilder, auf denen Produkte abgebildet und ggf. auch mit sogenannten Tap Tags versehen sind, können veröffentlicht werden, ohne dass dies als Werbung gekennzeichnet werden muss, WENN sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergibt, es sich insbesondere um einen verifizierten Instagram-Account mit „blauem Haken“ handelt.
- Wird auf die Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produktes verlinkt, sollte der Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden.
- Erhält der Influencer für seinen Beitrag eine Gegenleistung von einem fremden Unternehmen sollte der Beitrag ebenfalls als Werbung gekennzeichnet werden.
- Um zukünftig die gesetzliche Fiktion des Erhalts oder des Versprechens einer Gegenleistung widerlegen zu können sollten Influencer insbesondere Kaufbelege zu den von Ihnen veröffentlichten Produkten sammeln und aufbewahren.
Die Berücksichtigung der vorgenannten Punkte sollte zumindest geeignet sein, das Abmahnrisiko zu minimieren.
In der Vergangenheit hatten wir bereits mehrfach zur Werbekennzeichnungspflicht für Influencer berichtet. Dabei war stets klar, dass eigentlich gar nichts klar war. Das obige Zitat aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe könnte es kaum deutlicher wiedergeben. Unsere bisherigen Beiträge zur Werbekennzeichnungspflicht sind die folgenden:
- Influencer handeln stets geschäftlich?
- Werbekennzeichnungspflicht für Influencer?
- Influencer Marketing und Werbung
Die wohl auch im Lichte der zukünftigen Gesetzeslage ergangenen BGH-Entscheidungen ermöglichen nun zumindest einen „roten Faden“ an dem sich Influencer orientieren können. Klargestellt ist, dass die Beiträge auf Social-Media-Profilen von Influencern „geschäftliche Handlungen“ darstellen. Solche Beiträge sind insbesondere dann als Werbung zu kennzeichnen, wenn der Influencer für das Produkt, dass im von ihm veröffentlichten Beitrag zu sehen ist, vom Hersteller für die Veröffentlichung eine Gegenleistung erhalten hat oder sich hat versprechen lassen. Auch dann, wenn ein Beitrag ein Produkt zeigt und von diesem Produkt auf das Unternehmen des Herstellers verlinkt wird, sollte ein solcher Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden. Handelt es sich um einen verifizierten Instagram-Account mit blauem Haken, müssen Beiträge, die lediglich das eigene Unternehmen des Influencers bewerben, nach der Rechtsprechung des BGH nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Bei solchen verifizierten Accounts – so der BGH – ergebe sich der werbende Charakter unmittelbar aus den Umständen.