Auch Influencer und Blogger müssen nicht jeden Beitrag als Werbung kennzeichnen

Angst vor der Kennzeichnungspflicht

Seit einem Urteil des Landgerichts Berlin aus dem Mai 2018 sind insbesondere Influencer und Blogger vollkommen verunsichert. Sie fragen sich, welche Ihrer Beiträge sie als Werbung kennzeichnen müssen und welche nicht. Doch was war geschehen? Die Influencerin Vreni Frost wurde von einem Verein abgemahnt, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Insbesondere an den Inhalten des Instagram-Accounts der Influencerin störte sich der Verein. Mehrere Posts von Vreni Frost stellten nach Ansicht des Vereins eine unzulässige Form der Werbung dar. Insbesondere der § 5 a Abs. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) war Thema des Rechtsstreits. Der Verein beanstandete, bei mehreren Posts handle es sich um unzulässige getarnte Werbung. Mit anderen Worten: Die beanstandeten Posts hätten als Werbung gekennzeichnet werden müssen, waren aber nicht als Werbung gekennzeichnet. Im Ergebnis gab das Gericht dem Verein Recht. Was zur Verunsicherung in der Influencer- und Bloggerszene führte waren dann die Ausführungen des Gerichts, mit denen es seine Entscheidung begründete.

Entscheidung des Gerichts verunsichert Influencer, Blogger u.a.

Nach der Entscheidung des Gerichts standen mehr offene Fragen im Raum, als beantwortet wurden. Der wohl gewichtigste Grund hierfür ist darin zu sehen, dass sich das Urteil von dem Leitfaden der Medienanstalten für Werbekennzeichnung bei Social Media-Angeboten distanziert. Danach besteht in der Regel für  Beiträge über Produkte, Dienstleistungen, Marken, Unternehmen, Regionen, Events, Reisen, die aus eigener Motivation ohne kommerziellen Anreiz Dritter veröffentlicht werden keine Werbekennzeichnungspflicht.

Das Gericht sah das anders. Es vertrat die Auffassung, dass dieser Leitfaden jedenfalls nicht für Personen mit einer so großen Anzahl an Followern gilt, wie es bei Vreni Frost der Fall ist. Anders also als es das Merkblatt der Medienanstalten vorsieht, müssten Influencer von ihnen präsentierte Produkte auch dann als Werbung kennzeichnen, wenn sie diese kostenlos und ohne Vorgaben erhalten haben. Das gelte erst recht dann, wenn die Produkte mit den jeweiligen Unternehmen verlinkt werden. Eine Antwort auf die Frage, ab welcher Zahl von Followern das nun aber konkret gelten soll, gibt das Gericht dabei nicht.

Die logische Folge dieses Urteils war und ist, dass Influencer, Blogger, YouTuber, etc. nun alles was sie veröffentlichen mit einem Werbehinweis kennzeichnen, unabhängig davon, ob tatsächlich geworben wird oder nicht. Das Urteil des Landgerichts Berlin führt letztlich zu zum Teil absurden Ergebnissen. Stellt ein Influencer etwa ein Bild seines Haustieres in seinen Instagram-Account ein, so wäre auch diese Bild mit einem Werbehinweis zu kennzeichnen.

Die neue Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Das Kammergericht Berlin änderte mit Entscheidung vom 08. Januar 2019 das Urteil der Vorinstanz zumindest zum Teil ab. Es stimmt dem Landgericht aber auch insoweit zu, als es bestätigt, dass Influencer Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG sind. Es stimmt dem Landgericht auch insoweit zu, als es ebenfalls davon ausgeht, dass Tags mit den Kennzeichen anderer Unternehmen, die mit den Unternehmen verlinkt sind, objektiv geeignet sind, den Absatz der von diesen Unternehmen angebotenen Waren  fördern.

In wesentlichen Punkte aber entschied das Kammergericht anders. Insbesondere muss ein Influencer nicht jeden von ihm veröffentlichten Inhalt als Werbung kennzeichnen. Soweit nämlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Influencer für die Darstellung von Herstellern oder Händlern nicht entlohnt oder in anderer Weise belohnt worden ist, liegt grundsätzlich keine Werbung vor. Ausschließlich redaktionelle Inhalte müssen nicht als Werbung gekennzeichnet werden.

Konsequenterweise führt das Kammergericht weiter aus:

„Es gibt jedoch keinen Grund, jede oder auch nur jede in Zusammenhang mit Konsumgütern stehende Äußerung einer Person, die sich als „Influencer“ bezeichnet (…), ohne Ansehung des konkreten Inhalts und der besonderen Umstände als Werbung mit einhergehender Kennzeichnungspflicht anzusehen. (…) Eine Differenzierung nach dem Gegenstand der redaktionellen Berichterstattung bzw. der Meinungsäußerung ist mit der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit nicht vereinbar. Berichte über Modetrends sind nicht weniger schützenswert als Berichte über gesellschafts- und tagespolitische Themen. (…) Das Ziel der Kennzeichnungsverpflichtung, den Verbraucher vor nicht informierten geschäftlichen Entscheidungen zu schützen, lässt sich schwerlich umsetzen, wenn diese in der Praxis zu erkennbar absurden Folgen führt, so dass Hinweise nicht mehr ernst genommen werden.“

Damit erteilt das Kammergericht eine Absage in Bezug auf den Punkt, dass generell jeder Beitrag eines Influencers als Werbung gekennzeichnet werden müsste. Eine Mitteilung, wo und unter welcher Marke Produkte bezogen werden können, beantwortet lediglich ein bestehendes Informationsinteresse der Follower. Für Influencer gilt deswegen nichts anderes als etwa für Modezeitschriften. Auch diese enthalten nämlich aus den gleichen Gründen Angaben zu Herstellern und Bezugsquellen.

Auch eine weitere Frage beantwortete das Kammergericht zugunsten der Influencer. Die Grenze zur Werbung wird nicht bereits deshalb überschritten, weil auf dem Instagramm-Account des Influencers Links zu Instagram-Accounts von Herstellern oder Händlern vorgehalten werden. Links ergänzen den Beitrag, indem sie weitergehende Informationen ermöglichen und nicht etwa nur den Kauf eines Gegenstandes. Ein Link sei im Übrigen nicht mehr als eine allenfalls geringfügige Abkürzung oder Erleichterung des Weges über eine Suchmaschine zu diesem Ziel zu gelangen.

Bedeutung dieser Entscheidung für Influencer, Blogger u.a.

Insbesondere in Bezug auf die Werbekennzeichnungspflicht im Bereich Social-Media ist die Rechtsprechung kontrovers. Eine einheitliche Linie hat sich noch nicht entwickelt. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich weiter entwickeln wird. Es besteht allerdings Hoffnung, dass sich eine gefestigte Rechtsprechung entwickeln wird.

In einem weiteren Fall, der von dem Landgericht München entschieden wird, geht es um eine Abmahnung, die Cathy Hummels erhalten hatte. Cathy Hummels wurde abgemahnt, weil sie einen blauen Stoffelefanten, den sie zur Geburt ihres Sohnes von Verwandten geschenkt bekommen hatte, vor das Gesicht ihres Sohnes hielt, um ihn unkenntlich zu machen. Angeblich habe Hummels mit diesem Bild, auf dem der Stoffelefant zu sehen war, Werbung betrieben, die hätte gekennzeichnet werden müssen. Die vorsitzende Richterin Monika Rhein ließ allerdings bereits erkennen, dass es ihrer Auffassung nach durchaus einen Unterschied mache, ob man für das beworbene Produkt eine Gegenleistung erhalten habe oder nicht. Sie folgt damit der Entscheidung des Kammergerichts Berlin. Die Entscheidung soll allerdings erst am 29. April 2019 bekannt gegeben werden.

Folgen weitere Gerichte dieser Linie, ist zu erwarten, dass mit Blick auf die Kennzeichnungspflicht von Werbung im Social-Media-Marketing eine gewisse Rechtssicherheit entstehen wird.

Praxishinweis

Es besteht aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung nach wie vor große Unsicherheit, welche Beiträge als Werbung zu kennzeichnen sind, und welche nicht. Es empfiehlt sich dennoch nicht, jeden Beitrag als Werbung zu kennzeichnen. Hierdurch könnte eine Partnerschaft mit einem Unternehmen suggeriert werden, die tatsächlich gar nicht besteht. Unternehmen könnten sich hierdurch gestört fühlen und wiederum den Ersteller des Beitrages auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Blogger, Influencer, YouTuber und alle anderen Personen, die im Social-Media-Bereich aktiv sind, sollten deswegen ihre Beiträge darauf hin überprüfen, ob es sich bei den Inhalten um Werbung handelt oder nicht. Handelt es sich um Werbung, ist diese zu kennzeichnen. Wie diese Kennzeichnung vorzunehmen ist, kann anhand des Leitfadens der Medienanstalten sehr gut nachvollzogen werden.

Insbesondere dann, wenn keine Werbekennzeichnung erfolgt, etwa weil die in den Beiträgen dargestellten Produkte selbst und ohne Gegenleistung des Unternehmens erworben wurden, empfiehlt es sich, die entsprechenden Belege zu Beweiszwecken aufzubewahren. Im Falle einer Abmahnung kann durch diese Belege der selbstständige Erwerb nachgewiesen werden.



UPDATE vom 27.03.2019

In einer aktuellen Entscheidung hat das Landgericht Karlsruhe erneut für Unsicherheit zu dem Thema „Kennzeichnungspflicht von Werbung“ gesorgt. Die Influencerin Pamela Reif unterlag in diesem Rechtstreit. Sie und alle übrigen Influencer werden einmal mehr mit mehr Fragen als Antworten zurückgelassen. Wenn Sie mehr über das Urteil des Landgerichts Karlsruhe erfahren möchten, lesen Sie gerne unseren Beitrag „Influencer handeln stets geschäftlich?“.

Update 30.04.2019:

Im Fall Cathy Hummels hat das Landgericht München I eine Entscheidung zu Gunsten von Frau Hummels gefällt. In unserem Beitrag Influencer und Werbung auf Instagram erfahren Sie mehr zum Fall „Hummels“.