Patentanwalt Dirk Hübsch im Gespräch mit der AGEV

Bereits am 13. September 2022 erschien im Magazin der Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie e.V. – kurz AGEV – das Interview mit Patentanwalt Dirk Hübsch. Er erklärt, was ihn dazu bewogen hat, sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden, welche Hürden die Selbstständigkeit mit sich bringt oder auch, welche Vorzüge sie hat. Weitere spannende Fragen und Antworten können dem Interview entnommen werden. Den bereits bei der AGEV erschienenen Beitrag können Sie auch hier im Volltext noch einmal lesen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen des Interviews.

Über Lust uns Last der Selbstständigkeit

Die Selbstständigkeit ist eine Lebensentscheidung, die den Alltag von Grund auf verändert. Patentanwalt Dirk Hübsch geht diesen Weg seit vielen Jahren. Wir sprechen mit ihm über die vielen Momente der Lust, aber auch der Last, sein eigener Chef zu sein.

AGEV: Wann haben Sie sich für die Selbstständigkeit entschieden – und vor allem,
warum?

Dirk Hübsch: Als junger, frisch gebackener Patentanwalt haben Sie in der Regel drei Möglichkeiten: als angestellter Patentassessor in die Industrie zu gehen, einer
größeren Kanzlei als Juniorpartner oder Partner – letzteres meist verbunden mit einer größeren Summe – beizutreten, oder Sie wählen den Weg in die eigene
Existenzgründung/Selbstständigkeit. Option eins und zwei kamen für mich als junger Mann um die dreißig nicht infrage, ich wollte mich nicht abhängig machen. Deswegen habe ich 1996 den Sprung in die eigene Selbstständigkeit gewagt, mich quasi auf die grüne Wiese gesetzt und losgelegt. Ich hatte die Risikobereitschaft zur
Existenzgründung, ich war ungebunden, hatte die Zeit, die Neugierde und den nötigen Elan. Dazu muss ich sagen: Wenn ich damals schon eine Familie gehabt hätte, wäre ich das Risiko womöglich nicht eingegangen, weil eine Familie sicher versorgt werden muss. Vielleicht hätte ich mich im Zweifel für einen sicheren Job entschieden, um die Familie zuverlässig zu versorgen. Sie sehen, die Jobwahl hat etwas mit Verantwortung zu tun – und das leben wir in der Kanzlei auch gegenüber unseren Mandanten.

AGEV: Was ist aus Ihrer Sicht besonders fordernd, wenn man selbstständig ist?

Dirk Hübsch: Oft wissen Sie als Selbstständiger nicht, was genau kommt und wann es kommt. Sie können also kaum planen. Speziell bei uns im Patentrecht gibt es eine Menge sogenannter „unverlängerbarer roter Fristen“. Eine Patentanmeldung muss dann an einem bestimmten Tag beim Patentamt sein. Das bedeutet in Extremfällen sogar mal Nachtschichten einlegen zu müssen, was jedoch selten vorkommt. Aber abends länger und auch an Wochenenden zu arbeiten, ist in der Selbstständigkeit normal. Das ist zeitlich durchaus belastend und für die Familie und die Partnerin nicht immer erfreulich. Wenn so ein „Einschlag“ kommt, müssen Sie auch mal eine feste Verabredung absagen, dann sind Sie eben nicht bei der Geburtstagsfeier dabei. Das sind die Bürden der Selbstständigkeit.

AGEV: Was schätzen Sie an der selbstständigen Tätigkeit besonders?

Dirk Hübsch: Natürlich das selbstbestimmte Arbeiten. In meinem Beruf als selbstständiger Patentanwalt gefällt mir besonders der intensive Austausch mit
meinen Mandanten, in einem guten Miteinander eine strategische Ausrichtung für sie zu entwickeln. Das heißt, es gilt zu erwägen, welches Schutzrecht anwendbar wäre und in welchen Ländern sich eine Anmeldung als sinnvoll erweisen würde, um die Ziele und Interessen des Mandanten bestmöglich zu schützen. Für einen angestellten Patentassessor sind die Tätigkeitsfelder meist weniger breit gefächert und bieten weniger Gestaltungsspielraum. Zudem ist man in der Industrie hauptsächlich mit der Technik genau dieses Industriezweiges beschäftigt. Als selbstständiger Patentanwalt ist die Tätigkeit hier etwas abwechslungsreicher.

AGEV: Wie gehen Sie mit den nötigen Erholungszeiten um?

Dirk Hübsch: Wenn Sie als Selbstständiger in den Urlaub fahren, muss der Tisch frei sein. Kommen Sie aus dem Urlaub zurück, stapelt sich alles. Das heißt, sie haben vor und nach dem Urlaub eine Kompressionsphase, die fordernd ist. Auch während des Urlaubs ruft die Kanzlei manchmal an. Da wir als Patentanwälte unsere eigenen Fälle haben, ist auch eine gegenseitige Vertretung während des Urlaubs schwierig. Die Einarbeitung in die jeweiligen Fälle des anderen wäre zu aufwendig und würde zu lange dauern. Umso wichtiger ist es, im Alltag kleine Auszeiten zu finden, die einen wieder runterbringen und durchatmen lassen. Für mich sind das Entspannungs- und Meditationsübungen, die ich regelmäßig durchführe. Aber auch Sporttreiben gehört für mich dazu. So gehe ich regelmäßig schwimmen, gelegentlich segeln – und Tennis steht auch noch auf dem Programm.

AGEV: Wie haben Sie die Coronazeit als Selbstständiger erlebt?

Dirk Hübsch: Wir sind bei allem Stress relativ gut durchgekommen, weil unsere gesamte Kanzlei stringente Regelungen eingehalten hat. Wir haben zum Beispiel in einem wochenweisen Zwei-Schicht-System zwischen Homeoffice und Office gewechselt. Wenn es ein Team erwischt hätte, hätte das andere weiterarbeiten
können. Als Selbstständiger ist es überlebenswichtig, dass auch unter Stressbedingungen der alltägliche Betrieb durch Routinen aufrechterhalten bleibt, damit auch noch Kapazitäten für ad hoc auftretende Problematiken bleiben. Im Homeoffice ist bei uns nur leider noch nicht die hundertprozentige Leistung möglich, weil es besser ist, sich technische Zeichnungen/Ansichten auf Papier anzuschauen, wozu Sie sonst vier bis fünf Bildschirme benötigen. Damit kann man im Büro besser
umgehen. Hinzu kamen im Homeoffice alltägliche Dinge, sei es, dass der neunjährige Sohn mal in die Videokonferenz platzte (lacht) oder dringende  Familienangelegenheiten zu erledigen waren – Dinge, die die meisten Berufstätigen während der Lockdowns erlebt haben. Als Selbstständiger ist das aber mit einer
besonderen Verantwortung verbunden. Denn Sie müssen die Mandanten auch in kritischen Phasen vollauf zufriedenzustellen und können die Aufgaben nicht einfach delegieren oder sich krankschreiben lassen.

AGEV: Akquise ist für jeden Selbstständigen ein nicht immer geliebtes, aber großes
Thema. Wie gehen Sie damit um?

Dirk Hübsch: Ich halte mit meinen Kollegen regelmäßig Vorträge und Seminare. Das war zwar anfangs mit viel Vorarbeit verbunden, aber heute verbuche ich das für mich auf jeden Fall unter Lust, weil ich sehr gerne komplizierte Sachverhalte einfach und verständlich erkläre und es dabei sehr schätze, mit Menschen in Kontakt zu kommen und zu sein. Das macht nicht nur Riesenspaß, ich empfinde es sogar als entspannend. Dass diese Tätigkeit für mich auch eine Quelle für neue Mandanten ist, macht mich dankbar. Die Mundpropaganda/Weiterempfehlung nach all den Jahren kommt noch hinzu.

AGEV: In wenigen Worten: Was muss man für die Selbstständigkeit aus Ihrer Sicht
mitbringen?

Dirk Hübsch: Wer sich für die Selbstständigkeit entscheidet, muss Risikobereitschaft mitbringen, muss einen Sprung nach vorne machen, den Menschen offen und interessiert begegnen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist es, mit Kritik umgehen zu können – in einer positiven Art und Weise, die zu einer Lösung führt. Und ganz wichtig ist Durchhaltevermögen, bis man ein Level erreicht hat, wo man sagen kann: Jetzt läuft‘s! Es werden gerne die berühmten fünf Jahre Zeit nach Existenzgründung genannt, die es braucht. Das kann ich bestätigen. Das familiäre Umfeld sollte man auch nicht unterschätzen. Sie brauchen jemanden an der Seite, der die Unwägbarkeiten der Selbstständigkeit mitträgt und mit einer gewissen Gelassenheit akzeptiert. Da habe ich mit meiner Frau viel Glück.

AGEV: Die Politik macht es den Selbstständigen nicht leicht. Wenn Sie einen Wunsch
beim Gesetzgeber frei hätten, welcher wäre das?

Dirk Hübsch: Was den Bürokratieabbau angeht, hätte ich eine ganze Latte an Wünschen, doch das würde zu weit führen. Im Moment liegt mir vor allem die
Bildungspolitik sehr am Herzen. Ich würde mir wünschen, dass mehr dafür getan wird, jungen Menschen zu vermitteln, wie wichtig Verantwortung, ein allgemeines Interesse sowie Konzentration und die tiefe Beschäftigung mit einer Sache sind. Der Fokus liegt aus meiner Sicht zu stark auf Schnelligkeit, Social Media und Work-Life-Balance. Es ist eben nicht alles mit einem Klick erledigt, sondern meistens mit weiterer Arbeit verbunden. Da kann man zum Beispiel mit frühen Einblicken in die Praxis entgegenwirken. Warum können Berufspraktika für Schüler nicht schon ab der achten Klasse beginnen? Zwei Wochen im Halbjahr würden sicherlich auch mehr helfen als nur zwei Wochen im Jahr. Einen solchen Schritt der Politik würden wir durch unser Büro unterstützen und entsprechende Praktika bei uns  ermöglichen.

Eine letzte Frage: Das Thema Nachhaltigkeit nimmt einen immer höheren
Stellenwert in der Wirtschaft ein. Haben Sie schon Maßnahmen ergriffen, Ihr
Unternehmen ökologischer aufzustellen?

Dirk Hübsch: Wir sind im Begriff, auf die hundertprozentige elektronische Akte umzustellen, um Papier und Druckerpatronen zu vermeiden. Zudem bekommt jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ein Angebot für ein ÖPNV-Ticket, das ist selbstverständlich. Die Partner überlegen außerdem, komplett auf E-Mobilität
umzustellen, da erwarten wir uns aber vom Gesetzgeber eine transparentere und verbindlichere Regelung.

AGEV: Vielen Dank für das Gespräch.